Donnerstag, 24. Mai 2007

Born to be wild - osteuropäische Busfahrer


Einige Sonnen sind nun seit dem letzten Rapport aufs Unwiderbringliche im Strom der Zeit fortgeschwommen. Und, wer lebt, kann vom Leben nicht berichten. Doch nun ist der Moment gekommen, die hitzeschwangere, drueckende Luft in Brno einzuatmen und zurueckzublicken. Zeit, Attendant N's Einsatz in Titos altem Riesenreich zu beleuchten.
Doch halt. Bevor Feder und Tusche gezueckt werden, um vom Balkan zu berichten, muss den letzten verbliebenen Abenteurern Tribut gezollt werden: den Libor Lenkrads, Pavel Pedals und Dragan Drehzahls der oestlichen Hemisphaere.

Unermuedlich sind sie jeden Tag im Einsatz, um Menschen in vom Autosmog verschmutzen Staedten in elektrifizierten Oberleitungskarossen von A nach B zu karren oder Landstriche zu verbinden, in denen "Eisenbahn" aus dem Wortschatz gestrichen wurde. Monotonie und Nichtbeachtung sind ihr Schicksal.
Dabei waere das Leben ohne die Kutscher auf Ledersitzen hier nicht vorstellbar. Besonders in Ueberlandbussen entfalten sie ihr persoenliches Flair und erheben nicht selten einen kuenstlerischen Anspruch an die perfekte Art der Personenbefoerderung.
Men-In-Black Sonnenbrillen werden mit aufgeknöpften, stocksteifgestaerkten Hemden und Lederhandschuhen kombiniert. Türen schwungvoll während der Fahrt zur Belüftung geöffnet.
Daran war N schon gewöhnt. Besonders in Erinnerung blieb ihm jedoch ein slowakischer Busrennfahrer, der sein Cockpit liebevoll mit Kuscheltieren zugebombt hatte. Da hing der Plueschteufel neben dem goldgefluegelten Engel und Dinosaurier zofften sich mit niedlichen Huendchen um die beste Aussicht. Diese jedoch verging ihnen und N gehoerig, als der auf einem Sitzteppich ruhende Buslenker jede Rumpelpiste konsequent als Einbahnstraße missbrauchte - sprich sich grosszuegig in der Mitte der Fahrbahn platzierte. Auch die sanften Hügel und kurvigen Strecken der Ostslowakei wurden dank ihm zur erinnerungswuerdigen Achterbahnfahrt. Staub wurde aufgewirbelte als die Reifen ab und an den Asphalt der Straße verliessen und das Rumpeln des nahenden Grabens die Kuscheltiere schaukeln und schaudern liess. Aber zum Glück hatte der bretternde Buslenker ein silbernes Kreuz am Rueckspiegel haengen. "Amen" dachte N nur noch, als ihm, ob einer im Steilflug genommenen Anhöhe, der Magen in den Unterleib rutschte. Doch die anderen fünf Mitfahrer nach Levoca (1 Hund, 2 Rentner und 2 Frauen mit Enkaufstüten) juckte das alles rein gar nicht. Auch der slowakische Schlager aus den völlig übersteuerten Boxen verschaffte nur zeitweilige Linderung. "Ohhhhhhhhhhh, slovenske zeny." (Hier werden slowakische Frauen gefeiert)

Auf dem aktuellen Trip nach Bosnien, verlegte sich N auf eine 5-stuendige Busreise von Zagreb (Kroatien) nach Klujc. Der Straßenkreuzer war eigentlich ein halber. Dafür gab es zwei Busfahrer, die dann noch doppelt sovielt rauchten, wie der Malboro-Cowboy. Also Kette. Beide hatten wohl im Buergerkrieg gedient und so verwechselten sie die Straßen, die sich ueber die gruenen Hügel des Landes schlaengeln, mit Panzerplatten. Lichthupe an, auf die Gegenfahrbahn wechseln und "pedal to the medal". Wer nicht ausweicht oder abremst ist selbst schuld. Und damit bei den Buscowboys kein Stress aufkommt, macht einer immer Pause. Auf dem "Hundeplatz" hinten im Bus räkelt er sich auf einer Decke und lässt es ordentlich ratzen, während für N an Schlaf nicht zu denken ist (auch wegen des jovial jodelnden Balkanradios). Die aufkommende Frage warum die 250 km Luftlinie-Reise trotz der Bleifuss-Aktionen 5 Stunden dauern soll, wird N baldigst beantwortet. Die Lösung liegt in einer 1-stündigen Kaffeepause der Busfahrer im Straßencafe ihrer Bekannten. Währenddessen wird die Zeit eingefroren und dann wieder ordentlich geheizt.
Was am Ende bleibt ist ein grandioser Höllenritt und die Freude noch am Leben zu sein. Mit taumelnden Schritten verlässt Attendant N den Bus, wo jeder mit muss. Sich eines einzigartigen Erlebnisses gewahr.
Und auch jetzt denkt er an Libor, Pavel und Dragan. Irgendwo auf Schicht im Wilden Osten - die Tachonadel immer Blick - das Lederlenkrad mit den Fingern umspielend - die Frau weit weg zu Hause.
Sie wissen, was Einsamkeit heißt. Und sie tun trotzdem ihre Pflicht. Echte Cowboys eben. Gut, dass es sie gibt.

Tata.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Schreib ein Buch, stary. Schreib ein Buch! Ich liebe diese Metaphern, diese Bilder. Mehr davon ...! Bitte.

Alex.